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| Schaggi auf Schalke (04.04.2006, 10:31) | "Komm doch am 1. April mit auf Schalke, ich hab noch n'Ticket übrig" hat mich mein Onkel letzten Sommer gefragt. Hmm, 1. April, das geht ja noch 'ne Weile bis dahin aber gut, die Chance muss man packen. Also hab ich mal frisch fröhlich zugesagt. Nach etlichen Monaten war es dann soweit. Freitags im Büro das Telefon mit den letzten Anweisungen. "Morgens um halb 7 vor der Tür, nimm 'nen Waschlappen und die Zahnbürste mit, Sonntag Nacht etwa um 2 sind wir wieder zu Hause." Ich frag noch scheu für welche Plätze wir denn Tickets haben, man hat sich schliesslich im Internet etwas über die "Knappen" und ihre Arena informiert. "Nordkurve" lautet die Antwort, also mitten in der Stehrampe, unter den harten Fans. Schön das erleben zu dürfen, dacht ich so bei mir, ist sicher besser als auf der Haupttribüne zu hocken.
Die Nacht vom Freitag auf den Samstag war dann auch kurz, um 5 rasselt der Wecker. Aufstehn, duschen, die letzten Sachen einpacken und dann geduldig warten bis man abgeholt wird. 6 Stunden Autofahrt stehen vor mir, wie soll man sich für sowas motivieren? Dann endlich, halb 7i. Der Onkel kommt mit seiner Lebensabschnittspartnerin, welche heissblütiger Schalkefan ist, und ihrem Sohn daher. Schön grosser Wagen (Renault Espace), genug Beinfreiheit, es kann losgehen. Stefan (der Sohn) fährt, Heinz (der Onkel) sitzt daneben und Erika (die LAP) sitzt schräg vor mir. Mit ihr unterhalte ich mich auch während der Fahrt hauptsächlich, für 'ne Stunde muss ich jedoch eine Pause einlegen und etwas Schlaf nachholen. Sehr bequem das Auto. Man braust also mit etwa 170 km/h durch die deutsche Gegend, hält 2 mal kurz an um sich die Füsse zu vertreten und die Blase zu erleichtern und um 1 Uhr mittags ist man endlich in Gelsenkirchen. Von der Autobahnausfahrt aus ist man in 5 Minuten am Bestimmungsort: eine kleine Pension mit ein paar Zimmern, rundherum die für diese Gegend typischen "Zechenhäuschen". Sieht komisch aber irgendwie auch schnucklig aus. Die Zimmer werden bezogen, der Gastgeber begrüsst uns mit seiner Frau ganz herzlich und man schwatzt ein bisschen. Mir wird erklärt dass man sich schon länger kennt, wenn sie ein Spiel auf Schalke besuchen dann verbringt man immer die Nacht hier. Im Garten hinter dem Haus steht ein Gartenhäuschen, alles auf Schalke getrimmt. Fähnchen, Wimpel, Poster, sogar ein Schild mit der Sektoreneinteilung der neuen Arena hängt drin. Ein kleiner Holzofen für die kalten Nächte und ein Gasofen für die sehr kalten Nächte hat es auch. Schnell wird beschlossen dass man zum Nachtessen grillen möchte. Wir machen uns mit dem Auto auf dem Weg zum Rewe an der Ecke und holen ein paar Steaks, dazu noch Sossen und Getränke. Danach fährt man in die Stadt Gelsenkirchen, die Herberge liegt eben ein bisschen ausserhalb in Buer, aber nur 10 Gehminuten vom Stadiongelände entfernt.
Die Stadt Gelsenkirchen sieht etwa so aus, wie man das von einer Arbeiterstadt im Kohlenpott erwarten kann. Blühende Metropole würde ich es nicht gerade nennen, auch wenn im Hinblick auf die WM im Sommer an jeder Ecke Gestaltungsarbeiten vorgenommen werden. Trotzdem findet hier wahrscheinlich kaum High Society-Life statt. Unsere ersten Ziele sind bekannte Fanshop wie das "Abseits" oder der Fanverband. Jedoch schlägt man bei beiden Shops mit der Nase an der geschlossenen Türe an, und das am Samstag Nachmittag um halb 4. Egal, denk ich mir, kauf ich mir meinen Schalke-Schal für an die Wand halt woanders. Wir schlendern also gemütlich durch die Innerstadt, begutachten die Läden als es plötzlich wie aus Kübeln anfängt zu giesen. Sofort wird ein Unterstand gesucht und wir entscheiden uns in den Galeria Kaufhof zu gehen. Dort schnurstraks in die Sportabteilung und zur Schalke-Ecke. Ich begutachte die Schals aber keiner spricht mich wirklich an. Ich werde aber vertröstet, im Fanshop bei der Arena sei die Auswahl grösser.
Nach 'ner halben Stunde gehen wir wieder raus und langsam meldet sich der Magen. Ausser einem Sandwich im Auto hats noch nichts gegeben. Schnellen Schrittes gehen wir zum Wurststand weiter vorne, ich gönne mir 'ne herzhafte Wurst mit Brötchen und Senf für 1,50 Euro. Schöne Preise denkt man sich da. Wir gehen dann essend weiter Richtung Bahnhof. Auch hier wird gebaut, wahrscheinlich auch für die WM. Soll ja alles schöner werden. Wir setzen uns da in eine Bar und genehmigen uns das erste Gelsenkirchner Bier. Im Fernsehen läuft Premiere mit einem Champions League-Special. Mal eben die 2 Deziliter Hopfentee genossen, machen wir uns langsam wieder auf den Rückweg. Der Regen hat etwas nachgelassen und weil es so fein war, holen wir uns noch 'ne 2. Wurst an einem anderen Stand, der Preis diesmal unschlagbar: 1 Euro. Kampfpreis total, egal, mir schmeckts!
Wieder zurück beim Auto, einsteigen, retour fahren. Jetzt gehen wir uns das Gelände rund um die "Veltins-Arena" anschauen. Jaja, auch Schalke hat sich der Mode unterworfen, den Stadionnamen zu verkaufen und so wurde aus dem flott klingenden "Arena auf Schalke" halt eben Veltins-Arena. Bier-Tempel hätte ich für kreativer gehalten aber wer fragt denn mich. Wir parken vor der Geschäftsstelle und schlendern übers Trainingsgelände. Da gibts den Fanshop (natürlich geschlossen), das Jugendfussballinternat, "der Schalker", 'ne Fankneipe und viele Trainingsfelder, eines sogar mit einem modernen Kunstrasen. Daneben ein Extrafeld für Fussballtennis und ein Beachvolleyballfeld. Ueber all dem tront wie auf einem Sockel die Arena. Das Dach ist geschlossen, es ist ja regnerisch und der Rasen ist schon im Stadion drinn. Anscheinend braucht der etwa 8 Stunden um eingefahren zu werden, deshalb wird das schon am Freitag abend gemacht. Man betritt das Gelände rund ums Stadion herum und schaut sich mal die Fasade an. Hier Fenster putzen muss ein Scheissjob sein, denk ich mir so. Sieht aber besser aus als unsere Beulen am Joggeli. Das Schalke-Museum erregt dann unsere Aufmerksamkeit. Das muss man doch auch mal gesehen haben. Flugs hinein, 4 Euro rausgeholt und an die Kasse gegangen, da sagt die nette Dame hinter der Kasse, sie würden in 20 Minuten schliessen, für einen ausführlichen Rundgang bräuchte man aber etwa 45 Minuten. Die Idee wurde also begraben, gehen wir halt wieder nach vorne. Während den Fussmärschen werde ich ununterbrochen mit Infos über Schalke versorgt, über die alten Zeiten als man die Männer noch aus den Gruben holte, ihnen ein Königsblaues Shirt anzog und auf den Platz stellte. Das waren noch Kerls, die spielten noch mit Herz, nicht wie der Kuranyi, der eitle Sack. Unterdessen kommen wir am alten Parkstadion vorbei welches sich auch auf dem Gelände befindet. Das Tor ist offen, also wagen wir schnell einen kleinen Blick hinein und stehen plötzlich vor der Haupttribüne. Ein Stadion aus guten alten Zeiten wie wir es in Basel auch hatten. Lediglich die Nord- und die Südkurve wurde von den Sitzreihen befreit, ansonsten ist noch alles so vorhanden wie beim letzten Spiel.
Zum Schluss gingen wir dann noch in den Schalker, die Fankneipe vor Ort. Da trifft man sich unter der Woche für Stammtischgespräche, Fussball gucken oder ähnliches. Im Moment lief grad die BuLi-Konferenzschaltung auf Premiere. Noch 10 Minuten, Dortmund wird gegen Gladbach gezeigt, Dortmund am verlieren, Jubel im Lokal. Wie das so ist zwischen den zweien muss ich wohl kaum erwähnen. Gelb-Schwarz ist verhasst, jeder Dortmunder eine Zecke. Köln macht 2-2 in München, manch einer bringt ein überraschendes "Oh" hervor und spottet über die ebenfalls verhassten Bayern. Dann ist Schluss, wir trinken aus und machen uns auf den Nachhauseweg. Willi (der von der Pension) hat den Grill schon angeschmissen, wir machen es uns bequem im Gartenhaus, lesen noch die Sportbild (grosses Interview mit Alex Frei) und stürzen uns dann auf die Steaks und den Kartoffelsalat. Zwei Scheiben Fleisch hau ich mir rein, schmeckt auch richtig gut und man redet so über dieses und jenes. Nach dem Essen kommt noch der Frank vorbei, ebenfalls Schalker und guter Freund von Willi. Das mitgebrachte Fässlein Feldschlösschen wird angestochen und die Dose mit den Läggerli wird aufgemacht. Ich fahr 600 Kilometer in den Ruhrpott um Läggerli und Feldschlösschen zu verputzen. Eigentlich doof. Das Gespräch fällt jetzt immer mehr auf Fussball, UEFA-Pokal ist ein grosses Thema. Schalke natürlich im Finale, aber Basel hätte ja auch Chancen. Frank macht mir klar, dass bei einer Direktbegegnung im Viertel- oder Halbfinale er nicht ans Auswärtsspiel in Basel gegangen wäre. Zu gewalttätig waren ihm die Basler beim letzten mal auf Schalke, sie hätten hier einen sehr schlechten Ruf und sind ein nichtwillkommener Gast. In aller Ruhe wird erklärt dass wir Basler eigentlich ein sehr tolerantes Volk sind und dass wir immer für ein Bier gut sind. Nach den ganzen Schilderungen wie es bei einem Heimspiel so zu und her geht in Basel hat der gute Kerl ein ganz anderes Bild und hat versprochen, dass er mal mit dem Willi nach Basel kommt und sich ein Ligaspiel der Rotblauen ansehen will. Er würde sich jetzt umso mehr freuen wenn wir am 10. Mai aufeinander treffen würden.
Die Stunden zogen so ins Land, draussen wars schon lange dunkel und der Zeiger der Uhr war nicht aufzuhalten. Irgendwann wurde dann der Entschluss gefasst, das Bett aufzusuchen, schliesslich hatte man am Sonntag noch ein klein wenig was vor, dafür wollte man fit sein. So legte sich jeder in die Federn und schlief ein paar Stunden.
Nach exakt 14 Stunden ging die Tür auf, das Licht brannte und wir wurden gebeten unsere faulen Ärsche aus dem Bett zu heben. Man wolle schliesslich frühzeitig zum Stadion und vorher noch frühstücken. Schnell wurden ein paar Marmeladenbrote eingeworfen, nebenbei noch ein bisschen Fernseh gucken und dann mussten wir die Schuhe schnüren, die Fanutensilien zurecht rücken und in Stimmung kommen. Wir gingen zur Arena. 10 Minuten laufen, aus allen Richtungen kommen Schalker, die Polizei ist nur an der grossen Kreuzung präsent, ansonsten sehe ich nicht einen Polizisten rund ums Stadion. Vor dem Spiel in den Fanshop, endlich einen Schal kaufen. Tausend andere hatten die gleiche Idee, klar, man hat ja sonst keine Zeit in den Fanshop zu gehen. Trotzdem hab ich mir einen Schal ausgesucht und gekauft. Schnell raus, es ist sauheiss in dem Laden. Draussen regnet es unterdessen schon wieder, ich bind mir trotzdem den Schal um den Hals. Jetzt bin ich ein Schalker, oder zumindest fast. Auf direktem Weg laufen wir übers Gelände in Richtung Stadion und marschieren hinein. Noch schnell die Personenkontrolle, ohne Probleme durch, würde man wollen, dann hätte man können, aber egal. Wir sind schliesslich anständige Matchbesucher und nicht auf Ärger aus. Kaum die Treppe hoch nach dem Eingang stehen überall rote Figuren. "Möchten Sie das heutige Resultat tippen?" Aha, Sportbild steht auf den Jacken. Warum denn nicht? Hab meinen Tipp intern schon lange abgegeben, vielleicht staub ich noch was ab hier. 1-2 meine Vorraussage. Der Typ von der Bild schaut mich komisch an. "So pessimistisch?" sagt er provozierend, ich geh nicht drauf ein und sag einfach "Ja!". Trotzdem will er mir für 3 Sonntage die Bild am Sonntag gratis schicken. Solls nur versuchen, hat schon beim SonntagsBlick nicht geklappt!
Nun aber hinein in die gute Stube. Als erstes mal 'ne Knappenkarte holen. Sonst gibts nichts zu saufen. Mal eben für 5 Euro sone Karte mit 'nem schönen Motiv (Arena) drauf, die kann und tut man auch sammeln. Dann zum Getränkestand, Brezel und Cola (Antibiotika) bitteschön. Karte rein, bestätigen, gut ist. Keine schlechte Sache denk ich so bei mir. Brauchst die Brieftasche nicht mehr zu zücken. Noch eben für 2.50 Euro ein Poster von der Arena gekauft, da es keine Postkarten hat. Der Hammer, die haben vom Kondom mit Schalke-Aufdruck bis zu 2000 verschiedenen T-Shirts alles, aber keine poppelige Postkarte von ihrem Nudeltopf mit Deckel. Na gut, dann halt das Poster. Jetzt gehts raus auf die Ränge. 90 Minuten vor Anpfiff, die 3 Blöcke hinter dem Tor sind schon rappelvoll, alles steht, Fahnen werden montiert, wer da aufs Klo muss hat ein Problem, da kommt keiner mehr raus für die nächsten 3 Stunden. Wir gehen ein bisschen nebenan, zur Cornerflagge. Schönes Stadion, muss man sagen, der Videowürfel ist mal was Neues. Das Dach ist geschlossen, sollte aber gemäss Aussagen einiger Fans noch aufgemacht werden. Soll anscheinend eine Auflage der Bundesliga sein. Mir solls recht sein, bin mir ja nix anderes gewohnt. Während ich so da steh und an meiner Brezel rumknabber, freu ich mich insgeheim schon auf die gigantische Stimmung, die hier von über 60'000 Fans erzeugt werden soll. Den Eindruck den ich bisher vom Gelsenkirchner Volk gewohnen habe lässt sich etwa so umschreiben: die Leute essen Schalke, sie trinken Schalke, sie reden Schalke und sie atmen Schalke. Egal ob 2 oder 99 Jahre alt. Alle sind blauweiss, überall im Stadion dominiert diese Farbe. In gewissen Teilen ist sogar die Werbung in Blauweiss gehalten. Sehr schön, denk ich mir, man muss zu seinen Farben stehen. Zig Fahnen werden bereit gelegt, das erste Getöse als die Mannschaft zum warm machen einläuft, der Torhüter wird mit Namen begrüsst, sogar der Torwarttrainer (Oli Reck) wird ausgerufen von den bisherigen Anwesenden. Meine Freude steigt, hier gehts gleich richtig zur Sache. Nicht wie damals in Liverpool, dieses dämliche 0-0 als die Fans auf den Rängen einschliefen. Auch nicht wie damals in München, Bayern gegen Bremen, ebenfalls 0-0, als keine Sau im Stadion Stimmung machte und ich mir die Füsse abfror. Hier ist Fussball Leben. Hier kauft man sich im Fanshop neue Stimmbänder nach dem Spiel, natürlich streng in blauweiss.
Das Spiel rückt näher. Die letzten Kommentare der zwei Typen unten auf dem Feld, dann die Mannschaftsaufstellung zum gleichen Lied im wie im alten Joggeli. Erinnerungen werden wach, schön. Gebrüll wie ein Kanonendonner bei jedem Spieler, auch bei den Ersatzspielern. Jetzt sind alle da. Ich geb mir Mühe, sehr sogar, aber ich finde wirklich keinen Sitz, der unbesetzt ist. Die Hütte ist voll, läuft fast über. Ausverkauft, aber anscheinend Normalzustand auf Schalke. Noch schnell das Schalker Lied. Doch Oh weh, ein erster Dämpfer. Schlimmer als in Basel, hier lässt man sogar den Text vom Tonband laufen, man hört die Fans fast nicht, obwohl sie lauthals mitsingen. Doch die Anlage ist zu stark. Schade. Dann das Gitarrenintro vom wohl berühmtesten Song von ZZ Top, da läufts einem kalt den Rücken runter. Die Mannschaft wird willkommen geheissen mit einem lauten "Schalke.......NULLVIER". Das will ich hören, deshalb hab ich den Weg auf mich genommen. 10 Pauker stehen auf dem Feld Spallier, Jeder Fan hat seinen Schal in der Hand und macht den Helikopter. Sieht unglaublich aus. Das ganze Stadion ist ein blauweisses Meer, aber wirklich 100 %. Ich komm auf meine Kosten, ganz klar, ich kann heute nur gewinnen. Endlich erleben wie eine Heimmannschaft ein Tor schiesst und 60'000 in Jubelschreie ausbrechen! Ich mach mir bald in die Hose vor Freude. Und die Teams legen los wie die Feuerwehr. 2. Minute, Lattenschuss Hamburg. Atouba ist auch da, sieht gut aus der Junge, die Bundesliga bekommt ihm anscheinend gut. Seinen Gegner, meistens Asamoah, hat er total im Griff, muss jedoch kämpfen.
Schalke und der HSV liefern sich einen offenen Schlagabtausch. Das Spiel ist für beide immens wichtig, es geht um die Champions League und Bremen hat am Samstag gewonnen. Jede Zurückhaltung wird über Bord geworfen, Offensivfussball vom feinsten. Meiner Meinung nach hatte Hamburg in der Startphase doch leichte Vorteile, Schalke agierte hypernervös, entsprechend waren im Publikum auch Stimmungsschwankungen wahrzunehmen. Doch die Fans gaben ihr Bestes, wirklich tolle Stimmung, doch der Höhepunkt fehlte noch, der letzte Zacken. Dann gings plötzlich Schlag auf Schlag. Harte Zweikämpfe, richtig bissige Fights und Rafinha von Schalke dreht im roten Bereich. Was genau passiert ist hab ich nicht gesehen, auf jeden Fall gehts auf dem Feld hoch her. Rudelbildung bei den Mannschaften und die Schiris besprechen sich länger. Dann die Urteilsverkündung: Gelb für Hamburg und Rafinha kann duschen gehen, rot! Die Fans rasten aus, doch wäre in Basel eine Bierwelle in Becherform Richtung Spielfeld geschwappt und etliche Fahnenstangen in den Strafraum geflogen hat man sich im Land der Weltmeisterschaft 2006 solche Ungepflogenheiten abgewöhnt. Lediglich ein kleines, halbvolles Becherlein mit Bier wurde geworfen, jedoch erreichte dieses bemitleidenswerte Objekt nicht mal das Spielfeld. So beschränkten sich die Fans auf ein gellendes Pfeiffkonzert welches auch nicht ohne war.
Die Partie blieb jetzt hitzig, die Zweikämpfe wurden noch verbissener geführt, es war fast Hass spürbar auf dem Feld. Dann kam die grosse Stunde von Timothée Atouba: Eine Blutgrätsche vom feinsten als Einstieg und danach soll er (gemäss Schalker Augenzeugen) Fabian Ernst mit dem Ellbogen am Kellkopf getroffen haben. Der sackt natürlich sofort zusammen und windet sich vor schmerzen. Tut ja auch weh, kann ich verstehn. Die Schalker sehen das natürlich als Tätlichkeit, der Schiri hingegen unterstellt Atouba keine böse Absicht und zeigt ihm nur die Gelbe. Das wars, jetzt rastet das Puplikum aus (immer noch keine fliegenden Becher!). Das der Mensch soviel Luft durch seinen Mund pusten kann wie bei den folgenden Pfiffen gegen unserern ehemaligen Flügelflitzer hätt ich nicht gedacht. Tim wird in den nächsten Jahren kaum auf Schalke wechseln, da hätte er kaum Freunde. Im wars egal, er lieferte weiterhin eine souveräne Partie.
So ging das Spiel weiter wie ein Fussballspiel nun mal weiter geht. Zur Pause stands 0-0, doch das konnte unmöglich das Endresultat sein. Die Fans der Nordkurve und auch die übrigen Zuschauer haben ein paar mal die Muskeln spielen lassen und die Halle (das Dach blieb zu!) erbeben lassen. Doch die Stimmung war noch zu nervös. Mit einem Mann weniger auf dem Platz wirds natürlich gegen die Klassetruppe von Thomas Doll nicht einfacher und machner Schalker Jung hatte Sorgenfalten auf der Stirn.
Weiter geht es, die zweite Halbzeit wurde in Angriff genommen. Auf den Rängen gehts ein paar Minuten bis der Motor wieder warm lief, dann wurde die Mannschaft wieder angetrieben. 12 Minuten lang ging es nun so weiter, Hamburg hatte immer mehr vom Spiel, die Schalker wurden müde. Dann Freistoss für Hamburg und Rafael van der Vaart befördert die Kugel ins Netz. 0-1 für die Hanseaten. Totenstille im Stadion für etwa 20 Sekunden, nur die Hamburger jubeln in ihrem Affenkäfig. Dann die Trotzreaktion der Fans, noch einmal Stimmung machen und die Mannschaft anpeitschen. 1 Mann weniger, 1 Tor im Rückstand, jetzt ist alles egal. Einfach stürmen, rennen, Druck machen. Doch was passiert meistens wenn man blindlings anrennt? Richtig! Kugelblitz-Ailton bestraft seinen alten Verein und erzielt allein vor Frank Rost das 0-2. Das Spiel ist gelaufen, die Stimmung am Arsch und als ob das nicht schon genug wäre, verlassen doch tatsächlich etwa 25 % der Zuschauer die Arena. Diese Supidupimegagigaultra-Schalkefans, welche Tag und Nacht an nichts anderes denken als an das Glück ihres Vereins lassen die Mannschaft kläglich im Stich und gehen nach Hause. Was für eine Ernüchterung, was für eine Enttäuschung. Von wegen Schalkefans sind die verrücktesten Fussballfans überhaupt. Wenns nicht läuft pfeiffen die ihre Jungs genau so aus wie überall sonst auch. Nur die Nordkurve bleibt voll besetzt, allerdings erhebt keiner mehr seine Stimme für ein Schlachtlied. Der Kampf ist verloren, die Hamburger jubeln und feiern, die restlichen 10 Minuten hört man nur noch die Norddeutschen. Gestandene Männer brechen in Tränen aus, Frauen kreischen hysterisch ob der unerwarteten Niederlage. Wie ich später feststelle war das die erste Schalker Heimniederlage in dieser Saison. Ausgerechnet wenn ich hochfahre. Es soll wohl einfach nicht sein für mich. Immerhin gabs diesmal kein 0-0 wie bis anhin, aber stimmungsmässig bin ich immer noch auf der Suche nach dem Glück in Europa.
So trotteten wir davon. 60'000 Menschen liessen ihre Köpfe hängen und zogen ein Gesicht wie 3 Tage Regen. Trauerstimmung in Gelsenkirchen. Die Champions League ist nur noch sehr schwer zu erreichen, bei der Leistung von heute muss sogar noch um den UEFA-Platz gezittert werden. Trainer Mirko Slomka ist jetzt gefordert, lautete seine Aufgabe bei Übernahme der Mannschaft doch klar und deutlich Platz 2 erreichen. Naja, wär ja nicht der erste und sicher auch nicht der letzte Trainer der im Profifussball entlassen wird. Mir ists ehrlich gesagt Wurst, ich muss morgen früh wieder im Büro auf der Matte stehen und deshalb begeben wir uns nach Hause zum Auto. Sachen packen, Schlüssel abgeben und losgebraust in Richtung Heimat. Trotz Enttäuschung ab den Fans von Schalke: der Ausflug hat sich gelohnt. Auf der Heimfahrt wird ein bisschen geschlafen, nach 4 Stunden und 10 Minuten Vollgas sind wir dann auch schon wieder in Basel. Müde sinke ich zu Hause in mein Bett, nicht mal träumen mag ich. Doch ein paar Gedanken zur ganzen Reise mach ich mir natürlich schon. Vergleiche die Verhältnisse zwischen Schalke und dem FC Basel. Wer könnte was von wem kopieren? Was ist wo gut? Es gibt einiges, was mir auf Schalke sehr gut gefallen hat, zum Beispiel die Atmosphäre rund ums Stadion, das ist eine einzige Erlebniswelt. Mehrere Stände mit Wurst und Bier, dort die Fanbeiz mit Aussenbestuhlung und Beschallung mit Schalker Liedern. Vor dem Stadion gewisse Aktionen der Sponsoren, wird auch nie langweilig. Im Stadion auf den Fernsehern, die zahlreich vertreten sind, sieht man die Spieltagzusammenfassung auf Premiere. Weit und breit kein Hanswurst vom Format René Häfliger. Höfliche Stadionordner welche die Heimfans schätzen und respektieren. Eine Fankurve ohne Stühle, und zwar keinen einzigen. Schalke beschäftigt zwischen 15 bis 50 Personen welche vor Europapokalspielen die Stühle rein- und nach den Spielen wieder rausnehmen. Das ist doch ein Service für die Supporter. Und statt einer blöden, hässlichen Uhr liegt im Anspielkreis das Vereinsemblem von S04.
Der Fairness halber muss man jedoch auch betonen, das Schalke über 50'000 Vereinsmitglieder hat, welche einen zwar geringen Jahresbeitrag bezahlen, dieser sich jedoch an der Summe der Mitglieder zusammenläppert. Durch das kann der Verein auf gewisse kommerzielle Spässe verzichten auf die der FCB doch angewiesen ist, jedoch sind es kleine Dinge die einen auf Schalke spüren lassen, dass die Fans ihnen sehr wichtig sind. Und das vermisst man in Basel doch ein bisschen in der letzten Zeit. Allgemein zu den Fans ist zu sagen, dass wir vielleicht unsere Zuneigung unter der Woche nicht so stark zeigen, dass aber an den Spielen sich das Basler Puplikum nicht vor den Schalkern zu verstecken braucht. Zwar sind sie uns zahlenmässig weit überlegen und haben auch gegen Abstiegskandidaten ein volles Haus, doch bleiben bei uns wenigstens 97 % der Zuschauer bis zum Abpfiff und geben ihre Mannschaft nicht schon 10 Minuten vor Schluss auf.
Alles in allem ein interessantes Wochenende in der ich wieder eine Mannschaft und ihre Fans besser kennen lernen durfte. Zum Schluss ist noch zu sagen, dass die geäusserte Meinung zu den verschiedenen Themen im Text subjektiv ist und nur auf den Erfahrungen eines Wochenendes basieren.
Freu mich schon auf das nächste Mal, wenn ich mir wieder ein Spiel im Ausland ansehe, vielleicht klappts dann mit dem Tor für die Heimmannschaft!
Grüsse
euer Schaggi | | Autor: Schaggi | Kategorie: Sport | |
Kommentär: 2 | | | | 2. Diibidääbi: | Sehr schön gschriebe! Y ha mr's i zwäi Däil inezoge, wär z'viel uf's Mol gsi! Mini Erfahrige vo Schalke sin wohl leider disjunggt zu dine. Jedes zweite Zält rund ums Stadion isch für e pregame pyrotechnischi Kontrolle dänggt, jede Fan, Ordner, Wurstverkäufer hypernervös wäge de "böse" Uswärtsfans und etlichi Polizischte mit zuckige im Unterarm. Y ka dr jo denn neggscht Wuche sage wie's imene Fuessballstadion mit 70 bis 80tausig Lüüt isch. Grad nomol e anderi Dimension! ;-) (04.04.2006, 13:53) | 1. Zeekadeethee: | Goots no länger?! Jetzt isch my ganz Mittag am Arsch! Nai, scheene und intressante Bricht! Schappo! (04.04.2006, 12:32) |
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